10 Jahre qualmfreie Kneipen und die Gesundheit

Berlin – Die Trauer um das Berliner Narkose-Stübchen ist unübersehbar. «Dieter, Dieter, warum hast du uns verlassen?», steht an die heruntergelassene Jalousie geschrieben. Die traditionelle Raucherkneipe am Rathaus Schöneberg ist dicht.

Wirt Dieter sei gestorben, sagen Stammgäste. Wieder ein Refugium weniger für jene, die in der Kneipe qualmen wollen.

Vor zehn Jahren, am 1. Juli 2008, machten mit Thüringen und Nordrhein-Westfalen die beiden letzten deutschen Bundesländer ernst mit neuen Gesetzen zum Rauchen in Gaststätten. Seitdem gibt es in den Ländern einen Flickenteppich von Regelungen. Sie reichen vom totalen Rauchverbot wie in Bayern über abgetrennte Raucherräume bis hin zu reinen Raucherkneipen für Gäste ab 18 Jahren wie in Berlin.

Auch wenn mancherorts immer noch geraucht werden darf: Der Nichtraucherschutz hat sich insgesamt deutlich verbessert. Aber hat das etwas gebracht – mit Blick auf Gesellschaft und Gesundheit?

Eine ganze Menge, findet Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum. «In der Gesellschaft hat sich das Bild vom Raucher auch durch die Gesetze gewandelt», ergänzt sie. «Raucher, das sind jetzt die, die in der Kneipe vor der Tür stehen müssen und am Bahnhof nur in die gelb markierten Kästchen dürfen.»

Die Normalität des Rauchens sei aus dem Blick, sagt Schaller. Auch am Arbeitsplatz oder in Filmen. In Umfragen finden heute bis zu 80 Prozent der 18- bis 25-Jährigen eine rauchfreie Umgebung gut.

Das spürt auch Wirt Sylvio Bley in seiner Berliner Eckkneipe, gar nicht weit vom Ex-Narkose-Stübchen entfernt. «Willi Mangler» heißt sein Laden, weil der frühere Wirt eben Willi Mangler hieß. Bley hat gerahmte Ölgemälde, die Willi Mangler mit Vorliebe an die Decke nagelte, hängenlassen. Auch die Gardinen. Nur eines änderte er sofort: Seine Kneipe bekam eine Abluftanlage und einen separaten Raucherraum. Überall sonst herrscht Rauchverbot. Die Jüngeren fragten kaum noch nach Aschenbechern, sagt Bley.

Das entspricht dem Trend, wie die Raucher-Statistiken der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen. «Wirklich durchschlagende Erfolge beobachten wir bei Teenagern», sagt Michaela Goecke, Referentin für Suchtprävention. Rauchte vor 20 Jahren noch mehr als ein Viertel der 12- bis 17-Jährigen (28 Prozent), waren es nach den jüngsten Zahlen für 2016 nur noch 7,4 Prozent.

Hat diese Entwicklung mit den Gesetzen von 2008 zu tun? «Es gibt sicher nicht nur einen Grund, warum Jugendliche Rauchen zunehmend als uncool empfinden», antwortet Goecke. Sie führt es auf die Kombination von Rauchverboten, Preiserhöhungen und der intensiven Aufklärung über die Risiken zurück. Doch auch bei den Älteren tut sich etwas.

Innerhalb der vergangenen 20 Jahre sei der Zigarettenkonsum bei Männern um etwa fünf Prozent gesunken. Aktuell rauchten rund 30 Prozent bundesweit. Kaum Veränderungen gab es dagegen bei den Frauen – je nach Alter qualmen zwischen 20 und 26 Prozent.

Bley der einst die Kneipe seiner Eltern in Thüringen übernahm, wagte 2011 mit «Willi Mangler» in Berlin einen Neustart. «Heute frag‘ ich mich, wie ich das früher mit dem ganzen Zigarettenqualm überhaupt ausgehalten habe», sagt er. Auch die meisten Gäste wollten nicht mehr eingenebelt werden. Doch ohne Raucherraum gehe es auch nicht.

Und die Krebsstatistik? Rund 80 Prozent der Lungenkrebsfälle sind auf das Rauchen zurückzuführen, berichtet Katrin Schaller. Dazu kommen unter anderem Tumoren im Hals- und Rachenraum. Wegen der langen Latenzzeit von Krebs sei es noch zu früh, um sagen zu können, ob die Gesetze diese Krebsraten sinken lassen. Auch später lasse sich das sicher nicht als einzelner Grund dafür nachweisen.

Was sich aber beobachten lasse, sei die Auswirkung der Rauchfrei-Gesetze auf Herzinfarkte. Das Herz-Kreislauf-System erhole sich am schnellsten, wenn nicht mehr gequalmt wird – bei Rauchern und Passivrauchern, erläutert Schaller. In Bremen ließ sich in einer Studie nachweisen, dass die Zahl der Klinik-Einlieferungen wegen akuter Herzinfarkte in den Monaten nach dem Rauchverbot spürbar sank.

Fotocredits: Christoph Soeder
(dpa)

(dpa)
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