Zum Sterben nach Hause – Was Angehörige wissen sollten

München – Ärzte haben in der Regel das Ziel, ihre Patienten zu heilen. Wenn Hannah Haberland ins Spiel kommt, ist diese Hoffnung jedoch bereits passé.

Die Palliativmedizinerin begleitet Menschen auf ihrem allerletzten Weg. Sie tut das nicht im Krankenhaus, sondern da, wo viele Menschen sterben möchten: zu Hause. Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) nennt sich dieses Angebot. Rund 300 SAPV-Teams sind deutschlandweit unterwegs.

In ihrem Buch «Letzte Begegnungen» erklärt Hannah Haberland, wie sich Angehörige unterstützen lassen können, worauf sie vorbereitet sein müssen – und warum viele Menschen ganz allein sterben. Weil die Ärztin unter Schweigepflicht steht, schreibt sie unter einem Pseudonym.

Frage: Was genau tun Sie als Ärztin eigentlich, wenn Sie nicht heilen?

Antwort: Es gibt noch viel zu tun, was kein Heilversuch mehr ist. Sterben funktioniert leider nicht so, wie wir uns das vielleicht wünschen. In der Regel ist das ein Prozess. Der Mensch wird schwächer. Es kommen Symptome hinzu: häufig Übelkeit, Schmerzen, Luftnot. Diese Symptome behandeln wir, um den Übergang zu erleichtern.

Frage: Mit «wir» meinen Sie die sogenannten SAPV-Teams. Wie kommt man denn als Patient oder Angehöriger an so ein Team aus Ärzten und spezialisierten Pflegefachkräften heran?

Antwort: Es gibt ein paar Voraussetzungen dafür, dass wir tätig werden dürfen: Es muss eine Erkrankung sein, die nicht mehr heilbar ist. Es sollten auch keine Therapie mehr wie eine Chemotherapie anstehen. Der Patient muss außerdem bereit sein, diesen Weg zu gehen. Wer zwar austherapiert ist, aber noch nicht bereit ist, loszulassen, und lieber noch mal in die Klinik will, wird mit einer Versorgung durch uns nicht zufrieden sein. Und was auch entscheidend ist: Hat der Patient bereits Symptome, die wir behandeln können? Wenn all das der Fall ist, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für ein SAPV-Team.

Frage: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie manchmal mit den Worten «Da kommen die von der Sterbehilfe» begrüßt werden. Das ist so nicht richtig, oder?

Antwort: Nein. Das ist aber meist eine begriffliche Unschärfe. Wir leisten keine Sterbehilfe. Aber wir sorgen dafür, dass der Mensch möglichst ohne Schmerzen gehen kann. In den letzten Tagen und Stunden zum Beispiel kommt meist die sogenannte terminale Unruhe. Für die Angehörigen ist das sehr belastend. Sie fragen sich: «Was will er denn jetzt?» Da müssen wir eingreifen und zum Beispiel Beruhigungsmittel geben.

Frage: Sie begleiten nun schon ein paar Jahre Menschen beim Sterben. Gibt es Dinge, die Sie immer wieder beobachten?

Antwort: Ich hab immer gedacht, dass ganz viele Menschen vor dem Tod noch etwas erledigen wollen oder dass sie resümieren. Aber das ist meistens nicht so. Was aber häufig passiert, ist, dass der Sterbende noch auf jemanden wartet. Da liegt jemand schon im Sterben und ist gar nicht mehr ansprechbar. Aber das Gehör ist das letzte, was geht, sagt man. Und dann kann der wirklich nicht gehen, bevor nicht der Bruder aus Nicaragua durch die Tür gekommen ist. Deswegen lohnt es sich, so einen Wunsch noch zu erfüllen.

Frage: SAPV-Teams begleiten Menschen beim Sterben in den eigenen vier Wänden. Worin liegt denn aus Ihrer Sicht der Vorteil, wenn man zu Hause stirbt und nicht im Krankenhaus?

Antwort: Meine Erfahrung ist: Viele Menschen wünschen sich das, und dann sollte man als Angehöriger zumindest einmal darüber nachdenken. Mehr organisatorischer Aufwand ist es eigentlich nicht. Denn das Organisatorische übernehmen die SAPV-Teams. Was man aber wissen muss: Wenn jemand im Krankenhaus oder im Hospiz ist, dann kann ich als Angehöriger nach Hause fahren und eine Tür zu machen. So habe ich automatisch Freiräume. Das kann ich aber nicht, wenn mein Angehöriger zu Hause stirbt. Dann muss ich mir die Freiräume aktiv schaffen.

Fotocredits: Jens Wolf
(dpa/tmn)

(dpa)
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