Autor Fitzek: Mein Sohn wog so viel wie eine Packung Milch

Berlin – Sebastian Fitzek schreibt in seinen Thrillern von monströs zugerichteten Leichen, Axtmördern und Psychopathen. Die Bücher verkaufen sich millionenfach. Im privaten Leben hat der Berliner Autor vor sechs Jahren eine Situation erlebt, die seine eigenen Nerven herausforderte: die Geburt seines Sohnes Felix, der elf Wochen zu früh auf die Welt kam.

«Er war unglaublich dünn und klein und wog nur 1000 Gramm – so viel wie ein Tetrapak Milch», erinnert sich der 48-Jährige.

«Wir hatten damals so ein riesiges Glück, dass Felix die ganze Sache tatsächlich so gut überstanden hat. Wir hätten dieses Glück nicht gebraucht, wenn wir uns vorher richtig informiert hätten», erzählt der Vater dreier Kinder rückblickend. Als Botschafter des Vereins Das frühgeborene Kind will er anlässlich des Welt-Frühgeborenen-Tages am 17. November möglichst viele werdende Eltern dazu ermuntern, sich frühzeitig über passende Krankenhäuser zu informieren – nur für den Fall des Falles.

Krankenhaus mit Neonatologie suchen

«Wir hatten uns überhaupt keine Gedanken gemacht, sondern für die Geburt ein Krankenhaus ausgesucht, dass gar keine Neonatologie hat», sagt Fitzek. Schließlich seien seine Frau und er völlig sorglos gewesen. Doch als die Fruchtblase in der 30. Woche plötzlich platzte, habe die Notärztin erst lange telefonieren müssen, um ein Krankenhaus zu finden, das Babys aufnimmt, die vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren werden.

40 Wochen dauert eine Schwangerschaft normalerweise. Wenn ein Baby vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt, dann gilt es als Frühchen. Rund 65.000 von ihnen kommen laut Verein Das frühgeborene Kind jährlich zur Welt – etwa jedes zehnte Kind ist damit ein Frühchen. Das steigende Alter von Müttern, aber auch Wohlstandserscheinungen wie Bluthochdruck sowie das Rauchen und Stress gelten als mögliche Ursachen für Frühgeburten. Auch Mehrlinge erhöhen das Risiko. «Warum bei meiner Frau die Fruchtblase so früh platzte, wissen wir bis heute nicht», so Fitzek.

Sein Sohn galt mit seinem Gewicht sogar noch als eher unproblematisch. «Unter 500 Gramm und weniger als 24 Wochen jung. Das ist die absolute Höchstrisikogruppe», sagt Christof Dame, stellvertretender Direktor der Klinik für Neonatologie an der Berliner Charité, Campus Virchow-Klinikum. Kinder, die mit weniger als 24 Wochen auf die Welt kommen, haben demnach eine Überlebenschance von 60 Prozent. «Von denen, die überleben, entwickelt sich ein Drittel gut, ein weiteres Drittel mit mittleren Beeinträchtigungen und ein weiteres Drittel überlebt mit schweren Beeinträchtigungen», so Dame, in dessen Klinik pro Jahr etwa 180 Kinder behandelt werden, die weniger als 1500 Gramm wiegen.

«Die Wahl der richtigen Klinik kann enorme Auswirkungen darauf haben, wie sich das Frühchen künftig entwickelt», betont der Mediziner. Auch Fitzeks Sohn Felix wurde von ihm behandelt. «Einer Krankenschwester fiel im nächtlichen Halbdunkel auf, dass die Haut von Felix marmoriert war», erinnert sich Sebastian Fitzek. Die Ärzte stellten eine entstehende Nierenvenen-Thrombose fest und konnten sie rechtzeitig behandeln. «Das haben wir vor allem der Schwester zu verdanken, die so eine unglaubliche Erfahrung hatte», so Fitzek. Andere häufige Komplikationen wie ein Schlaganfall oder eine Hirnblutung seien bei seinem Sohn glücklicherweise nicht aufgetreten. «Er hat keine Folgeschäden und ist eine absolute Kämpfernatur.»

Der eindringliche Appell des 48-Jährigen an werdende Eltern lautet:

«Geht sicher, dass eine Neonatologie in eurer Nähe ist und schaut, wie viele Kinder dort jährlich behandelt werden. Je mehr, desto besser.» Und: «Nicht nur die Erfahrung der Ärzte, sondern auch die der Schwestern zählt.»

Doch wo finden Eltern solche Informationen? Beim Internetportal «Perinatalzentren.org» sind die mehr als 200 Zentren für Geburten nach Risikoschwangerschaften und für Frühgeburten deutschlandweit aufgelistet. Die vielen Daten sind aus Sicht des Neonatologen Rainer Rossi vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Perinatalmedizin allerdings für medizinische Laien nur schwer verständlich. «Auch die Statistiken in den Leistungsberichten der Krankenhäuser sind richtig kompliziert zu lesen», so Rossi. Er empfiehlt, sich von Gynäkologen und Geburtshelfern beraten zu lassen.

Ob die hohe Zahl der Zentren in Deutschland überhaupt nötig ist und eine Konzentration auf wenige Zentren nicht sinnvoller wäre, wird von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken im Gemeinsamen Bundesausschuss seit Jahren kontrovers diskutiert. «Wir haben in Deutschland ein Perinatalzentrum für etwa 4000 Geburten, während in Schweden ein Perinatalzentrum etwa 20 000 Geburten versorgt», berichtet Rossi.

In Schweden seien die Ergebnisse für Frühgeborene besser als hierzulande. «Man kann sicher nicht alles einfach kopieren, aber schauen, was man in Deutschland übernehmen könnte», so Rossi. In manchen Kliniken hierzulande sei derzeit wegen zu geringer Geburten- und Frühgeborenenzahlen sowie knapper Personalschlüssel die erforderliche Erfahrung rund um die Uhr nicht immer gewährleistet.

Sebastian Fitzek will seine Erlebnisse auf der Frühchenstation möglicherweise in einem Buch verarbeiten. «Hier treffen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander. Es geht um Leben und Tod, man ist in einem emotionalen Ausnahmezustand», so der Autor. «Die Recherche hätte ich mir aber etwas weniger intensiv gewünscht.»

Fotocredits: Waltraud Grubitzsch
(dpa)

(dpa)
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